Predigt von Bischof Peter Kohlgraf beim Pontifikalamt in Kamp-Bornhofen

Predigt von Bischof Peter Kohlgraf beim Pontifikalamt in Kamp-Bornhofen (Jahresmotto: Honig)

Wallfahrt am 01. Mai 2023, 10.00 Uhr

Jedes Jahr steht hier in Kamp-Bornhofen ein biblisches Symbol von hoher Bedeutung im Mittelpunkt. Die Bibel und die christliche Tradition nehmen häufig Symbole aus der Natur auf, um Glauben und Handeln lustvoll und motivierend zu thematisieren. Auch Jesus nimmt ja immer wieder Beispiele aus der Natur, um über das Reich Gottes zu sprechen und es verständlich zu machen. In diesem Jahr ist es der Honig, die antike Speise der Götter, die in Dichtung und Sprichwörtern der Antike sehr beliebt war. Seine Süße und die vielfältige Verwendung hat die Phantasie der Alten angeregt. Im volkstümlichen Brauchtum und der Frömmigkeit diente er unter anderem der Totenspende und Opfer für die Gottheiten. Opfern sollte man etwas Wertvolles, der Honig galt als Symbol der Lebensfülle und des genüsslichen Reichtums. 

Ohne Bienen kein Honig, deswegen verdienen auch die kleinen Tiere eine entsprechende Würdigung. Der prominenteste Ort, an dem die fleißige Arbeit der Bienen gepriesen wird, ist das Osterlob, das Exsultet in der Osternacht. Die Osterkerze und das neue Licht werden besungen, die „der Fleiß der Bienen bereitet hat“. Es scheint mir nicht abwegig zu sein, dass der vorchristliche Gedanke, dass der Honig und das Wachs der Bienen die Verstorbenen ins ewige Leben begleitet und Gottesbeziehung stiftet, christlich auf ungenannte Art und Weise weiterlebt. Die Osterkerze ist ja schließlich „das“ Symbol des Auferstandenen, der Weg, Wahrheit und ewiges Leben ist. Den Menschen des Altertums fiel die wundersame Arbeit und das Miteinander der kleinen Tiere auf. Das geordnete Leben um die eine Königin galt als Bild für einen geordneten Staat und ein geregeltes gemeinschaftliches Miteinander der Menschen. Bienen galten als besonders saubere und reinliche Tiere, als fleißig und kunstfertig. Und man hielt sie für besonders keusch und gesittet. Selbst die Fähigkeit, böse Menschen erkennen und verfolgen zu können, wurde ihnen zugeschrieben. Der Flug der Bienen symbolisierte in der Philosophie das Bemühen der menschlichen Seele, sich von irdischen Dingen zu lösen und nach Höherem, Göttlichem zu suchen. Christliche Autoren beobachten Bienen beim Sammeln von Blüten und Nektar und sehen darin ein Bild des Menschen, der aus den Blüten der Heiligen Schrift den Nektar des Gotteswortes sammelt. Diese Gedanken sind uns heute vielleicht fremd geworden. Dennoch nehme ich wahr, dass in den letzten Jahren Menschen zu Hobbyimkern geworden sind und großes Interesse an den Bienen entwickelt haben. Staunen über die Schöpfung auch im Kleinen ist sicher eine wichtige Voraussetzung für eine Spiritualität der Schöpfung, die Papst Franziskus als Grundlage ihrer Bewahrung ansieht. Ich darf den Papst zitieren: „Diese Umkehr (zu einer ganzheitlichen Ökologie, P.K.) setzt verschiedene Grundeinstellungen voraus, die sich miteinander verbinden, um ein großherziges und von Zärtlichkeit erfülltes Umweltengagement in Gang zu bringen. An erster Stelle schließt es Dankbarkeit und Unentgeltlichkeit ein, das heißt ein Erkennen der Welt als ein von der Liebe des himmlischen Vaters erhaltenes Geschenk. (…) Es schließt auch das liebevolle Bewusstsein ein, nicht von den anderen Geschöpfen getrennt zu sein, sondern mit den anderen Wesen des Universums eine wertvolle allumfassende Gemeinschaft zu bilden. Der Glaubende betrachtet die Welt nicht von außen, sondern von innen her und erkennt die Bande, durch die der himmlische Vater uns mit allen Wesen verbunden hat. Da die ökologische Umkehr die besonderen Fähigkeiten, die Gott ihm verliehen hat, wachsen lässt, bringt sie den Glaubenden außerdem dazu, seine Kreativität zu entfalten und seine Begeisterung zu steigern (…).“ (Laudato si 220). Vielleicht haben die Bienen auch uns Menschen etwas zu sagen. 

Wir erfreuen uns im Genuss des Honigs am Fleiß der Bienen. An 60 Stellen im Alten Testament spielt der Honig eine Rolle. Gott verheißt dem gefangenen Volk eine Zukunft in einem Land, in dem Milch und Honig fließen (Ex 3,8). Honig steht in Verbindung mit der Milch für die Zukunft eines Lebens in Fülle. In der theologischen Tradition verweist das irdische Gelobte Land auf den Himmel, wo es endgültig Leben in Fülle geben wird. Die Milch wird immer wieder als mütterliche Gabe und Nahrung Gottes an die Menschen gedeutet, der Honig macht den Genuss süß und begehrenswert. In einigen orientalischen Liturgien werden bis heute nach dem Empfang der Taufe und der Eucharistie Milch und Honig gereicht. Die Sakramente führen in das Gelobte Land der Verheißung, ins Land des Lichtes und des Friedens. So dürfen die Glaubenden den Honig kosten, der uns in den göttlichen Worten der Schrift und in den Sakramenten geschenkt ist. Milch und Honig stehen für die Würde der Gotteskindschaft, die Gott uns in Christus schenkt. Manche werden in der Geschichte als honigfließende Prediger gepriesen: etwa Ambrosius von Mailand und der heilige Bernhard. Sie vermochten etwas von dieser visionären Kraft der göttlichen Schönheit zu vermitteln. Diese Gedanken bewegen mich. Wir werden heute oft damit konfrontiert, dass Menschen diese Begeisterung des Wortes Gottes und der Sakramente nicht mehr erleben. Manchmal werde ich gefragt, warum man Christ sein solle. Ich kann dann letztlich nicht mit menschlicher Klugheit argumentieren, sondern letztlich mit dieser göttlichen Berührung durch Wort und Sakrament. Der Gedanken, dass der Mensch eingeladen ist, an den göttlichen Blüten den Nektar zu saugen, mag uns etwas fremd sein, aber er sagt etwas Wesentliches aus. Von Seiten Gottes stehen die Angebote seiner Gegenwart und seiner bleibenden Nähe fest. Gott ist treu. Er will Leben für uns, Leben in Fülle. Aber wie die Bienen müssen die Menschen auch in Bewegung kommen, um ihn zu suchen. 

Es gibt so unterschiedliche Honigsorten, deren Süße und Geschmack von der Art der Umgebung der Bienen abhängen. Die Begegnung mit dem göttlichen Leben findet für den Menschen in der Umwelt und Gesellschaft ab, in der er lebt. Jedes Umfeld ist eine Möglichkeit, das göttliche Leben zu suchen und zu finden. Es gibt nicht die eine Gotteserfahrung. Auch in den Konflikten der Kirche müssten wir nach und nach lernen, dass die vielen Honigsorten des Glaubens ein Reichtum sind und deren Bewertung durch andere stets ein Stück Geschmacksache bleiben. 

Schließlich: Johannes der Täufer ernährt sich von wildem Honig, eine Speise der einfachen Leute. Der Blick auf ihn lässt mich das Einfache neu wertschätzen, das Einfache im Lebensstil und bei der Nahrung. Kleine Schritte verändern die Welt, auch die Beziehung des Menschen zur Umwelt. Dazu fügt Papst Franziskus später an den eben zitierten Text an: „Die Genügsamkeit, die unbefangen und bewusst gelebt wird, ist befreiend. Sie bedeutet nicht weniger Leben, sie bedeutet nicht geringere Intensität, sondern ganz das Gegenteil. In Wirklichkeit kosten diejenigen jeden einzelnen Moment mehr aus und erleben ihn besser, die aufhören, auf der ständigen Suche nach dem, was sie nicht haben, hier und da und dort etwas aufzupicken: Sie sind es, die erfahren, was es bedeutet, jeden Menschen und jedes Ding zu würdigen, und die lernen, mit den einfachsten Dingen in Berührung zu kommen und sich daran zu freuen. So sind sie fähig, die unbefriedigten Bedürfnisse abzubauen, und reduzieren die Ermüdung und das versessene Streben. Man kann wenig benötigen und erfüllt leben, vor allem, wenn man fähig ist, das Gefallen an anderen Dingen zu entwickeln und in den geschwisterlichen Begegnungen, im Dienen, in der Entfaltung der eigenen Charismen, in Musik und Kunst, im Kontakt mit der Natur und im Gebet Erfüllung zu finden. Das Glück erfordert, dass wir verstehen, einige Bedürfnisse, die uns betäuben, einzuschränken, und so ansprechbar bleiben für die vielen Möglichkeiten, die das Leben bietet.“ (Laudato si 223). 

Möge der Honig uns erfreuen, uns öffnen für den Genuss im Kleinen, im Einfachen. Wir sind eingeladen, Gottes Schönheit zu suchen und zu erleben, seine Nähe, die auch süß sein kann, weil sie erfreut und Leben schenkt. Vielleicht gibt er uns auch in bescheidener Weise einen kleinen Vorgeschmack des Himmels.

 1 Vgl. dazu Dorothea Forster, Die Welt der christlichen Symbole, Innsbruck, Wien, München, 1977, 246-248; Wilhelm Michaelis, Art. μέλι, in: Gerhard Kittel (Hrsg.), Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament IV, Stuttgart 1942, 556-559. 

 

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